Christel Locher erneut Deutsche Meisterin – Artikel aus der Taunus Zeitung vom 19.10.2017

Christel Locher gewinnt

die deutsche

Altersklassenmeisterschaft

im Tischtennis

VON WOLFGANG KULLMANN

Sie hat mehrere Operationen hinter sich, ist deshalb gehbehindert. Na und? Das hindert Christel Locher nicht daran, eine der besten Altersklassen-Tischtennisspielerinnen Deutschlands zu werden.

Sie spielt zwar mit Handicap, das ändert aber gar nichts an Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit: Tischtennis-Meisterin Christel Locher.Foto: JOACHIM STORCH (Joachim Storch, Bad Hg.)Sie spielt zwar mit Handicap, das ändert aber gar nichts an Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit: Tischtennis-Meisterin Christel Locher.

 

Oberursel. Wenn man die atelierartige Wohnung der Eheleute Locher in Oberursel betritt, wandert der Blick automatisch nach rechts und links an die Wände, an denen viele beeindruckende Werke der freischaffenden Künstlerin Christel Locher hängen. Jetzt muss man sich entscheiden: Berichtet man über die Künstlerin oder die Sportlerin. Künstlerisch geprägt ist die 69-Jährige durch ihre Eltern, die beide als Künstler tätig waren.

Aber auch Sport betreibt Christel Locher schon immer. Als die gebürtige Hamburgerin noch in der Hansestadt wohnte, war sie erfolgreiche Schwimmerin. In ihrer Lieblingsdisziplin, dem Brustschwimmen, errang sie zahlreiche Erfolge in diversen Auswahlmannschaften.

Mit dem Wegzug aus Hamburg in die Lüneburger Heide wechselte sie, wie sie sagt: „Vom Becken an den Tisch.“ Sie hatte dort in Bad Bevensen einen großartigen Tischtennis-Trainer, der sie mit dieser Sportart infizierte. Und der Tischtennissport lässt sie bis heute nicht los. Seit zwei Jahren wohnt Christel Locher nun mit Ehemann Hans-Jürgen in Oberursel. Die beiden fühlten sich hier sehr wohl, erzählen sie, hätten sich gut eingelebt – nicht zuletzt durch die Mitgliedschaft in der Tischtennis-Abteilung der Eintracht Oberursel. Auch Hans-Jürgen Locher schlägt für den Verein auf.

Doch Christel Locher ist kein „normales Mitglied“. Abteilungsleiter Stefan Werner bezeichnet sie bereits als Aushängeschild der Eintracht. Christel Locher mag diesen Rummel um ihre Person gar nicht. Aber sie kann es nicht verhindern, bringt sie doch Titel um Titel mit nach Hause in den Taunus.

Um den kleinen Ball dreht sich ihr Sport: Abteilungsleiter Stefan Werner bezeichnet Christel Locher als Aushängeschild seines Vereins.Bild-ZoomFoto: JOACHIM STORCH (Joachim Storch, Bad Hg.)
Um den kleinen Ball dreht sich ihr Sport: Abteilungsleiter Stefan Werner bezeichnet Christel Locher als Aushängeschild seines Vereins.

 

Ihre zahlreichen Triumphe aufzuzählen, würde diesen Rahmen sprengen. Allein seit 2014 errang sie bei den deutschen Seniorenmeisterschaften drei Einzeltitel, drei Meisterschaften im Doppel und einen Titel im Mixed. Kürzlich kehrte sie aus Neuenstadt zurück, dem Austragungsort der deutschen Meisterschaften 2017: mit einem dritten Platz im Einzel und der Meisterschaft im Doppel mit ihrer Partnerin Hannelore Dillenberger (TuS Himmighofen).

Der ideale Ausgleich

Ihre Schwerbehinderung nehmen ihre Gegnerinnen teilweise gar nicht wahr. Wegen ihres Handicaps nimmt Christel Locher auch an Wettbewerben speziell für behinderte Sportler teil. Sie erklärt dazu: „Nach mehrfachen Bandscheiben-Operationen bin ich gehbehindert und kann keine längeren Strecken mehr laufen.“ Der Tischtennissport scheint hier der ideale Ausgleich zu sein, wie sie erzählt: „Die Ärzte empfahlen mir, gerade diesen Sport weiter auszuüben, denn er stärkt die Muskulatur, die sonst verkümmern würde.“ Im Behindertensport richten sich die Wettkampfklassen nach dem Grad der Beeinträchtigung, den die Sportler haben. Die leichteste ist die Gruppe AB, zu der gehört Christel Locher. Die Klassifizierung wird sehr streng geprüft und gehandhabt.

Was sie durch den Behindertensport gelernt hat? „Ich sehe nur noch den Menschen und nicht seine Behinderung“, sagt sie, ohne zu überlegen. Ihre Leistung ist so stark, dass sie in der 2. Herrenmannschaft in der Kreisliga antritt. Manchmal hilft sie sogar in der 1. Herren-Mannschaft aus, die derzeit in der Bezirksklasse auf dem zweiten Platz steht.

So fährt, sportlich gesehen, Christel Locher dreigleisig: Sie tritt an in der Seniorenklasse, im Wettbewerb für behinderte Sportler – und ist nicht selten bei den Aktiven eine Leistungsträgerin.

Ein Lob den Männern

Sie kommt mit ihren männlichen Kollegen gut klar und sagt: „Ich muss die Männer in unserem Verein ausdrücklich loben. Bei uns geht es sehr zivilisiert zu. Das ist nicht überall so, bei anderen Vereinen ist die Männerabteilung oft, zurückhaltend gesagt, sehr rustikal.“ Die Übungseinheiten fährt die Oberurselerin altersgemäß zwar zurück, nebenbei trainiert sie aber auch regelmäßig im Fitnessstudio. Sie nimmt sich zu Herzen, was die berühmte Tennisspielerin Martina Navratilova einst sagte: „Die Trainingsintensität sollt immer dem Alter angepasst werden.“

Jetzt haben wir über Christel Locher doch fast nur als Sportlerin geschrieben. Gut möglich, dass wir bald wieder über sie berichten, denn sie kann nicht nur mit dem Zelluloidball großartig umgehen, sondern auch mit Pinsel und Farbe.

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